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Das Objekt

Ein handschriftlich mit Kugelschreiber beschriebenes Stück Toilettenpapier.

Notizen auf Toilettenpapier von Sylke Glaser, verfasst während ihrer Haft in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Rostock, 1. Mai 1988

Sylke Glaser kam im April 1988 wegen "öffentlicher Herabwürdigung" des SED-Regimes in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Rostock. Sie schaffte es, einen Kugelschreiber in ihrer Zelle zu verstecken. Um die Isolation und die ständige Beobachtung auszuhalten, machte sie sich Notizen. Die Wachen entdeckten die Aufzeichnungen nach wenigen Tagen und beschlagnahmten sie.

Quelle: BArch, MfS, BV Rostock, AU, Nr. 1646/88, Bd. 1, Bl. 79

Warum betrieb die Stasi Untersuchungshaft­anstalten?

Zum Verfolgungsapparat der Stasi zählten seit den 50er Jahren auch eigene Untersuchungshaftanstalten (UHA), die zugleich Verhörzentren waren. Dort sperrte die Stasi unter rechtswidrigen Bedingungen "feindlich-negative Elemente" ein und versuchte, ihnen Geständnisse abzupressen und Informationen über weitere "Feinde" zu erhalten.

Schwarz-Weiß-Foto des massiven Eingangstores eines Gefängnisses. Rechts daneben ist ein Wachturm, über dem Tor ist Stacheldraht.

Vorderfront der zentralen UHA der Stasi in Berlin-Hohenschönhausen, Genslerstraße/Freienwalder Straße, um 1985

Die zentrale UHA lag im Stasi-Sperrbezirk Hohenschönhausen in Ost-Berlin. Sie war hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt. Auch die Abt. XIV und HA IX hatten dort ihren Sitz.                                                                                                 

Quelle: BArch, MfS, HA IX, Fo, Nr. 2560, Bild 49

Schwarz-Weiß-Foto eines Gefängnistrakts. AUf der rechten Seite befinden sich Zellentüren, die offene Decke des Ganges ist mit einem Netz verhangen.

Der Gefängnistrakt in der Magdalenenstraße, Zellentrakt von innen, 1990

Die Häftlinge wussten nicht, wohin sie gebracht worden waren, wurden meist in Einzelhaft gehalten und waren Schlafentzug und stundenlangen Vernehmungen durch die Stasi ausgesetzt. Wobei der Vernehmer zugleich der einzige Gesprächskontakt für die Häftlinge war. So sollten sie gefügig und aussagebereit gemacht werden.

Quelle: Stefan Eikermann

Schwarz-Weiß-Foto, blick in eine Zelle. An der Wand kommt durch ein paar Glasfliesen Licht in den Raum. Davor steht rechts ein kleiner Tisch mit Hocker, links ein Etagenbettgestell, auf der unteren Liege liegt eine Matratze. Im Vordergrund rechts ist ein Waschbecken.,

Doppelzelle in der UHA Rostock, 5. Dezember 1989

Die UHA-Zellen waren in der Regel kaum 8 qm groß, die Frischluftzufuhr war sehr stark eingeschränkt, die Fenster bestanden aus Glasbausteinen, sodass man keinen Blick nach draußen hatte. War ein Häftling mit einem anderen in einer Zelle eingesperrt, so musste er damit rechnen, dass es sich um einen "Zelleninformator" – also einen Spitzel – handelte.

Quelle: Gerhard Gäbler

Schwarz-Weiß-Foto, zu sehen sind mehrere mit hohen Betonmauern voneinander abgetrennte kleine Höfe, umgeben von Gebäuden deren Fenster vergittert sind.

"Freigangboxen" in der UHA Erfurt, 1989

Der sogenannte Freigang bot den Häftlingen neben den Verhören die seltene Möglichkeit, die Zelle zu verlassen. Ihr Bewegungsraum beschränkte sich aber auf die sehr kleinen, von Mauern umgebenen Freiganghöfe. Während des Freigangs blieben sie allein und hatten keinen Kontakt zu anderen Häftlingen.

Quelle: Stadtarchiv Erfurt

Welche Diensteinheiten waren für die Stasi-UHA zuständig?

Zuständig für den Betrieb der UHA einschließlich der Gefangenentransporte war die Abt. XIV. Die Vernehmung der Gefangenen erfolgte durch das "Ermittlungsorgan" der Stasi: die HA IX. Die Zentralen der Abt. XIV und HA IX waren auf dem Gelände der UHA in Hohenschönhausen angesiedelt.                              

Schwarz-Weiß-Foto eines unifmorieten Mannes, der durch einen Schlüsselspion in eine Zellentür schaut.

Von der Stasi zu Schulungszwecken aufgenommenes Foto eines Wärters, der durch den Spion in eine Zelle schaut, 1967

Für die ständige Beobachtung der Häftlinge in den Zellen war das Wachpersonal zuständig. Tagsüber schauten die Stasi-Mitarbeiter regelmäßig durch den Türspion in die Zelle – das Öffnen des Durchgucks war deutlich vernehmbar. Nachts wurde bei jeder Kontrolle das Licht eingeschaltet.

Quelle: BArch, MfS, Abt. XIV, Fo, Nr. 69, Bl. 6, Bild 7

Schwarz-Weiß-Foto eines Kastenwagens bzw. Transporter, der vor einem Gebäude auf einem verschneiten Parkplatz steht.

Gefangenentransportwagen (GTW), Typ Barkas 1000, o. D.

Mit solch einem Barkas transportierten Mitarbeiter der Abt. XIV die Häftlinge in die UHA, auch zu Gerichtsterminen oder Vernehmungen in andere Stasi-Dientsstellen. Manchmal waren die GTW als Lieferfahrzeuge getarnt.

Quelle: BArch, MfS, BV Karl-Marx-Stadt, AKG, Fo, Nr. 264, Bild 7

Warum geriet Sylke Glaser ins Visier der Stasi?

Die 19-Jährige Sylke Glaser legte in Rostock selbstgemachte Flugblätter aus. Und sie schrieb anonyme Briefe an Partei- und Staatsfunktionäre, um ihrem Frust über die politischen Verhältnisse in der DDR Luft zu machen. Das SED-Regime sah darin strafbare Handlungen.

Karierter Zettel, auf dem mit Kugelschreiber "Freiheit auch für Andersdenkende" geschrieben steht.

Handgeschriebenes Flugblatt von Sylke Glaser, 15. Februar 1988

Im Februar und März 1988 stellten Mitarbeiter des VPKA Rostock Flugblätter mit "provokatorischem Inhalt" im Rostocker Stadtgebiet fest. Fundorte waren Gehwege, Bäume, Kioske und Autos. Mitarbeiter des VPKA Rostock suchten die Gegend ab und trafen dabei in der Nacht am 5. März 1988 auf Sylke Glaser. Da sie sich zu ungewöhnlicher Tageszeit und ohne Personalausweis in der Nähe der Fundorte aufhielt, nahm die Polizei sie fest. Sie gab zu, die Flugblätter geschrieben und verteilt zu haben. Glaser musste ein Bußgeld in Höhe von 500 Mark zahlen.

Quelle: BArch, MfS, BV Rostock, AU, Nr. 1646/88, Bd. 2, Bl. 84

Frankierter Briefumschlag, addressiert an den Bürgermeister der Stadt Rostock.

Umschlag eines Briefs von Sylke Glaser an den Bürgermeister der Stadt Rostock, Poststempel 12. April 1988

Nach ihrer Flugblattaktion im April 1988 schrieb Sylke Glaser sechs Briefe an Vertreter von Partei und Staat in Rostock. Darin prangerte sie unter anderem die mangelnde Meinungsfreiheit in der DDR an sowie die Verhaftungen von Andersdenkenden durch die Stasi.

Quelle: BArch, MfS, BV Rostock, AU, Nr. 1646/88, Bd. 3, Bl. 295

Textdokument, das die Ergebnisse einer Hausurchsuchung protokolliert.
Zweite Seite eines Textdokuments, das die Ergebnisse einer Hausurchsuchung protokolliert.

Stasi-Bericht zur Durchsuchung der Wohnung von Sylke Glaser, 3. Mai 1988

Nachdem die Stasi von Sylke Glasers Briefaktion erfahren hatte, nahm sie die junge Frau in Untersuchungshaft und durchsuchte ihre Wohnung. Briefe, Postkarten, Tagebücher und Zettel mit Losungen beschlagnahmte die Stasi als "Beweise".

Quelle: BArch, MfS, BV Rostock, AU, Nr. 1646/88, Bd. 1, Bl. 58 f.

Textdokument, das eine Urteilsverkündung dokumentiert. Zum Teil sind Namen von Mitwirkenden des Verfahrens anonymisiert.

Urteil des Kreisgerichts Rostock gegen Sylke Glaser (Auszug), 29. Juni 1988

Nach zwei Monaten in der UHA verurteilte das Kreisgericht Rostock Glaser wegen "öffentlicher Herabwürdigung" in mehreren Fällen zu 15 Monaten Haft. Die Bundesrepublik kaufte sie im Oktober 1988 frei.

Quelle: BArch, MfS, BV Rostock, AU, Nr. 1646/88, Bd. 4, Bl. 33

Was ist ein Untersuchungsvorgang (UV)?

Sobald die Stasi ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren führte, legte sie einen UV an. Der UV gibt den Ablauf des Strafverfahrens wieder und enthält oft auch Informationen zum Vollzug der Strafe. Viele UV enthalten auch Unterlagen von Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Orangefarbener Aktendeckel einer Akte der Staatsanwaltschaft des Bezirks Rostock, beschriftet mit der Aufschrift "Untersuchungsvorgang Glaser, Sylke".

Aktendeckel "Untersuchungsvorgang Glaser, Sylke", 1988

UV enthalten Dokumente wie den Haftbefehl, Vernehmungsprotokolle, die Anklageschrift, das Urteil, aber auch Dokumente geheimpolizeilichen Charakters (z. B. Listen über beschlagnahmte Briefe, Gegenstände usw.). Dabei handelte es sich um Beweisstücke, die die Stasi rechtswidrig beschaffte. Um die Beweise dennoch vor Gericht verwenden zu können, "offizialisierte" die Stasi sie: Fand sie beispielsweise bei einer heimlichen Wohnungsdurchsuchung "Beweise", so ließ sie eine offizielle folgen und die Beweisstücke scheinbar rechtmäßig sichern.

Quelle: BArch, MfS, BV Rostock, AU, Nr. 1646/88, Bd. 3

Schwarz-Weiß-Foto. Das Bild zeigt den Blick in den Innenhof eines Gebäudekomplexes. In der Mitte ist ein Vorbei der zu einem vierstöckigen Gebäude gehört, dessen Fenster zum Teil vergittert sind. Links neben dem Vorbau stehen drei Personen.

Gebäude der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des MfS in Rostock, 1990

Die UHA in Rostock wurde 1950 auf dem Gelände der BV Rostock errichtet. Das Gefängnis verfügte über rund 50 Zellen auf drei Etagen. Heute befindet sich dort eine Dokumentations- und Gedenkstätte, die über die Tätigkeit der Stasi in der SED-Diktatur und das Haftregime informiert.

Quelle: Bundesarchiv – Stasi-Unterlagen-Archiv / Plagemann

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Das Bild zeigt ein Foto zweier Männer, die hinter einer Mauer stehen und mit Ferngläsern in Richtung des Fotografen schauen.
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Schwarz-Weiß-Foto einer Menschenmenge, die einen Panzer umringt, auf dem bewaffnete Soldaten sitzen.
Ein Blatt, auf dem drei Fahrkarten nebeneeinander aufgeklebt sind. Auf der rechten steht in lila Schrift "Rückfahrt".
Ein aus rotem Krepppapier gebasteltes "A", verziert mit getrockneten Blättern.
Handschriftlich verfasstes Textdokument, an einer Stelle ist etwas anonymisiert.
Stasi-Karteikarte in DIN A6, blass gelbfarben.
Abbildung einer auf einem Bettlaken selbst gemalten Fahne der Tschechoslowakei.
Das Polaroidfoto zeigt eine tapezierte Wand vor der ein Telefon steht. Neben dem Telefon ist eine elektronische Apparatur zu sehen. Diese wurde auf dem Polaroidfoto mit einem roten Pfeil markiert.
Ein handschriftlich mit Kugelschreiber beschriebenes Stück Toilettenpapier.
Abbildung eines Aktendeckels, auf einem Aufkleber steht "OPK-Akte", da drunter Registriernummer und andere archivarische Angaben.
Maschinell beschriebener Zettel, auf dem von links unten nach rechts oben ein dicker roter Strich gedruckt ist. Absender ist der Leiter des Amts für Nationale Sicherheit, Bezirksamt Erfurt.
Handschriftliche Planskizze mit den Standort des Toten Briefkastens "Brücke" im Waldgebiet Lührmannwald in Essen und dessen Umgebung im Stadtgebiet.
Karte der Stadt Güstrow, durch die Stasi mit Eintragungen mit Bezug zum bevorstehenden Besuch Bundeskanzler Schmidt in Güstrow versehen. Aufgeklebte Fotos zeigen die geplanten Stationen der Besucherdelegation im Stadtgebiet, farbige Markierungen zeigen markieren Einsatzorte und Bereitstellungsräume der Sicherheitskrafte.
Karteikarte im Format DIN A4 quer mit persönlichen Angaben zu Erich Mielke.
Handschriftliche Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit der Stasi als IM Gerhard von Rainer Schedlinski, Seite 1
Anscheinend unbemerkt gemachtes Schwarz-Weiß-Foto zweier Männer, die ein Gebäude betreten.
Das Blatt aus dem Fotoalbum trägt die Überschrift: "Liebevolle Fürsorge für unsere Kleinen - schaffen froher Ferienerlebnisse bei Sport und Spiel - das sind auch unsere Aufgaben". Das Blatt zeigt sieben Fotos. In der Mitte ist Erich Mielke mit Mädchen in Turntrikots zu sehen, die er anscheinend auszeichnet. Die anderen zeigen Kinder in einem Kindergarten und Junge Pioniere im Ferienlager, unter anderem bei einem Appell, beim Sackhüpfen und bei militärischen Übungen mit einem Kinderpanzer und Kindersturmgewehren.
Bedrucktes Stoffstück, auf dem ein Fisch abgebildet ist, der aus dem Wasser herausschaut. Der untere, sich im Wasser befindliche Teil des Fisches besthet nur aus Gräten. Darüber steht der Text "Umkehr zum Leben", darunter "1. Pleißegedenkumzug, 5. Juni '88, Weltumwelttag
Zwei uniformierte und bewaffnete Soldaten stehen in einem Hof neben einer Plakette, die an die dort stattgefundene Ermordung Ernst Thälmanns erinnert. Vor und neben ihnen ist eine Vielzahl von Blumengestecken und Blumenkränzen.
Der Zettel ist mit Eintragungen, Stempeln und Unterschriften der zahlreichen Stellen übersäht, die Flüchtende im Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde zu besuchen hatten.
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