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Kaderkarteikarte (KKK) zu Stasi-Minister Erich Mielke mit der Auflistung der ihm verliehenen Auszeichnungen, o. D. (Auszug)
Die Stasi führte zu jedem Mitarbeiter eine KKK – auch zu Erich Mielke, ab 1950 Vize-Chef der Stasi und seit 1957 ihr Minister. Informationen zu seiner Person enthält sie kaum, denn Mielke verschwieg und schönte Details seines Lebenslaufs. Die 128 Auszeichnungen sind Belege für Mielkes Rolle im SED-Staat: Er und sein Apparat sicherten rücksichtslos die Macht der Partei. Dazu erhielt die Stasi ständig zusätzliche Aufgaben und Kompetenzen.
Quelle: BArch, MfS, HA KuSch, Nr. 1567
Als Mielke im Februar 1950 das "Ehrenzeichen der VP" erhielt, hatte die Stasi rund 2.700 Mitarbeiter. Als er im November 1989 abgesetzt und mit einem "Generalsdolch mit Gravur" ausgezeichnet wurde, waren es rund 91.000. Damit war die Stasi im Verhältnis zur Bevölkerung die personalstärkste Geheimpolizei im Ostblock.
Personalentwicklung der Stasi 1950–1989
Die Anzahl der Stasi-Mitarbeiter wuchs stetig. Nur einmal, 1957, kam es zu einer Reduktion. Besonders rasant fiel der Anstieg in den 70er Jahren aus, als die Stasi im Zuge verstärkter Ost-West-Kontakte neue Aufgaben übernahm. Zu Beginn der 80er Jahre stagnierte das Wachstum kurzzeitig: Vor dem Hintergrund der desolaten wirtschaftlichen Lage der DDR sollte selbst die Stasi sparen. Ab 1985 stiegen Budget und Personalbestand erneut.
Quelle: Bundesarchiv – Stasi‑Unterlagen-Archiv / Pralle Sonne
Festveranstaltung zum 10. Jahrestag der Stasi-Gründung in der Dynamo-Sporthalle in Ost-Berlin, Februar 1960
Nach dem Volksaufstand 1953 gelang es der SED, ihre Herrschaft zu festigen. Die Stasi bekämpfte dazu Regimegegner, unterstützte Säuberungsaktionen in Politik, Justiz und Verwaltung, assistierte bei Enteignungen und Zwangsumsiedlungen. Sie stand unter der Führung erfahrener kommunistischer Kader und enger Anleitung sowjetischer "Instrukteure". Politische Zuverlässigkeit und Bereitschaft zur offenen Gewaltanwendung waren zentrale Einstellungskriterien für Stasi-Mitarbeiter; Bildung und Ausbildung dagegen sekundär.
Quelle: BArch, MfS, ZAIG, Fo, Nr. 759, Bild 2
Festveranstaltung zum 20. Jahrestag der Stasi-Gründung im Februar 1970. Auf dem Podium Erich Mielke (3. v. li.) und die DDR-Staats- und Parteispitze: Walter Ulbricht (2. v. li.), Willi Stoph (4. v. li.) und Erich Honecker (1. v. li.).
In den 60er Jahren, nach der Abschottung der DDR durch die Berliner Mauer, baute die Stasi die Bevölkerungs- und Wirtschaftsüberwachung aus und erhielt neue Aufgaben bei der Grenzsicherung und -kontrolle. Mit eigenen Schulen und einer Hochschule verstärkte sie die Aus- und Weiterbildung und „professionalisierte“ so das Personal. Damit ging eine Abkehr von den brutalen Methoden der 50er Jahre einher.
Quelle: BArch, MfS, SdM, Fo, Nr. 540, Bild 1
DDR Staats- und Parteichef Erich Honecker gratuliert Erich Mielke am 8. Februar 1980 zum 30. Jahrestag der Stasi-Gründung.
Transitabkommen, Grundlagenvertrag, KSZE: Diese Abkommen brachten der DDR in den 70er Jahren die ersehnte internationale Anerkennung und neue Zugänge zum Weltmarkt. Damit verbunden war aber zwangsläufig eine Öffnung des SED-Staates. Für die Stasi hieß dies, neue "staatsfeindliche Bedrohungen" auszuschalten. Sie hatte die vermehrten Ost-West-Kontakte "abzusichern" und Forderungen nach Meinungsfreiheit und Ausreise in den Westen zu "bekämpfen".
Quelle: BArch, Bild Y 10-0097-91 / o. Ang.
Festveranstaltung zum 35. Jahrestag der Stasi-Gründung im Ost-Berliner Palast der Republik im Februar 1985 mit Erich Mielke am Rednerpult (Fotomontage)
Ein anhaltender Niedergang der Wirtschaft prägte die DDR in den 80er Jahren. Das SED-Regime war zudem mit einer immer geschickter agierenden Opposition konfrontiert. Die Stasi baute daher ihre Wirtschaftsspionage aus, verstärkte Geschäfte zur Devisenbeschaffung und intensivierte die Überwachung der Bevölkerung. Ihr Personalbestand war zuletzt so ausufernd wie ihre Aufgaben: Während in der DDR auf einen Geheimpolizisten 180 Bürger kamen, waren es in der UdSSR 595 und in Polen 1.574 Einwohner.
Quelle: BArch, MfS, BdL, Fo, Nr. 206, Bild 312 und 311
Die Stasi-Zentrale befand sich im Ost-Berliner Bezirk Lichtenberg. Hier war auch der Dienstsitz von Erich Mielke: das 1964 bezogene "Haus 1". Während Mielkes Amtszeit wuchs der Gebäudekomplex der Zentrale kontinuierlich. 1989 umfasste das hermetisch abgeriegelte Sperrgebiet 50 Gebäude auf rund 22 Hektar Fläche und war Arbeitsort von bis zu 7.000 Stasi-Mitarbeitern.
Erster Dienstsitz des MfS wurde 1950 das Finanzamt Lichtenberg an der Ecke Magdalenen- und Normannenstraße. Hier ein Foto aus den 60er Jahren.
Das Gebäude lag gegenüber dem Amtsgericht Lichtenberg, das bis 1953 Sitz eines Sowjetischen Militärtribunals und des NKWD-Untersuchungsgefängnisses "Nr. 6" war. Vermutlich war diese räumliche Nähe zur sowjetischen Geheimpolizei ein wichtiger Grund für die Standortwahl. Ab 1953 nutzte dann die Stasi das Gerichtsgebäude.
Quelle: BArch, MfS, ZAIG, Fo, Nr. 61, Bild 2
"Haus 1" der Stasi-Zentrale, ab 1964 Sitz des Stasi-Ministers Erich Mielke, Anfang der 80er Jahre
Büro Erich Mielkes im Dezember 1989
"Haus 1" war bis 1989 der Dienstsitz Erich Mielkes und seiner engsten Mitarbeiter. Auch das SdM, das BdL und die AGM saßen dort. Mielkes Büro befand sich im 2. OG über dem Eingang. Der Sichtschutz vor dem Eingang entstand 1974, um Einblicke aus den umliegenden, neu errichteten Wohnhochhäusern zu verhindern.
Quelle: BArch, MfS, BdL, Fo, Nr. 82, Bild 466 (oben)
Quelle: BArch, MfS, HA IX, Fo, Nr. 609, Bild 10
Luftaufnahmen der Stasi-Zentrale vor 1974 und aus den 80er Jahren (Stasi-Gebäude im Bild hervorgehoben)
Die Stasi-Zentrale expandierte stetig in den sie umgebenden Stadtraum. Gebäude und Straßenzüge wurden dem Sperrgebiet einverleibt oder abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Auch ein Gebäudeensemble des Architekten Bruno Taut musste der Expansion weichen. Einige Altbau-Wohngebäude an der Frankfurter Allee nutzte die Stasi für ihre Zwecke um − nach außen wahrte sie so den Anschein einer normalen Bebauung.
Quelle: BArch, MfS, ZAIG, Fo, Nr. 598, Bild 42 (oben)
Quelle: BArch, MfS, HA II, Fo, Nr. 32, Bild 13 (Bearbeitung: BArch)
Über Erich Mielke war bis zum Ende der DDR wenig bekannt, manches war geschönt. 1907 in Berlin geboren, wurde er mit 14 Jahren Mitglied des KJVD. 1931 ermordete er einen Polizisten, flüchtete nach Moskau und nahm ab 1936 unter dem Namen Leissner am Spanischen Bürgerkrieg teil. 1939 tauchte er in Frankreich unter, wurde dort 1944 von der NS-Organisation Todt zwangsrekrutiert. Im Juni 1945 kehrte er nach Berlin zurück und nahm führende Posten im neuen Geheimpolizeiapparat ein. 1957 wurde er Stasi-Minister und stieg danach bis in die SED-Spitze, das Politbüro, auf.
Fahndungsplakat der Berliner Polizei nach Erich Mielke (oben rechts) und anderen wegen des Attentats auf Polizisten auf dem Berliner Bülowplatz (1933–1945 Horst-Wessel-Platz, heute Rosa-Luxemburg-Platz) am 9. August 1931
Mielke wurde in der Zeit der Straßenkämpfe im Berlin der Weimarer Republik sozialisiert und beteiligte sich daran. Der mit dem Wissen der Berlin-Brandenburger KPD-Spitze um den späteren DDR-Staatschef Walter Ulbricht (unten links) verübte Mordanschlag kostete zwei Polizisten das Leben. Die KPD verhalf Mielke und seinem Komplizen danach zur Flucht nach Moskau, wo Mielke eine politisch-militärische Ausbildung erhielt.
Quelle: Wikipedia / Berlin Document Center
"Republikanische Linke an das russische Volk/[Dank] für seine Hilfe in unserem Kampf": Plakat aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) mit einem Portrait des sowjetischen Diktators Stalin hinter einer Allegorie der Spanischen Republik, o. D.
Im Spanischen Bürgerkrieg griffen rechtsgerichtete Putschisten die demokratische spanische Republik an. Diese geriet zunehmend unter den Einfluss des sowjetischen Diktators Stalin. Er kontrollierte auch die "Interbrigaden": Militäreinheiten ausländischer Kämpfer, denen Erich Mielke alias "Fritz Leissner" angehörte. Mielke war Stabsoffizier in sowjetischem Auftrag und gab politisch-militärische Schulungen. Zeitzeugen behaupten, er habe an politischen Säuberungen in den Interbrigaden teilgenommen. Dokumente zu "Leissners" Tätigkeiten existieren kaum.
Quelle: alamy
Erich Mielke (3. v. l.) als Vizepräsident der Deutschen Verwaltung des Innern, 1949 (Ausschnitt)
Zurück in Berlin wurde der als Polizistenmörder gesuchte Mielke selbst Polizist. Er arbeitete beim Aufbau einer Geheimpolizei in der SBZ mit, aus der das MfS hervorging. Mielke wurde dessen Vize, aber nicht Minister, denn die Sowjets zweifelten an ihm: Weil er im Zweiten Weltkrieg, nach der Zeit in Spanien, in Frankreich und nicht im sowjetischen Exil war, erschien er ihnen politisch zu unzuverlässig. In der Öffentlichkeit behauptete Mielke sogar, er sei im Krieg sowjetischer Partisan gewesen und mit der Roten Armee in Berlin einmarschiert.
Quelle: Polizeimuseum Berlin
Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, beim Staatspräsidenten der DDR Wilhelm Pieck (rechts) am 8. Dezember 1958
Mielkes Loyalität galt dem Kommunismus und der SED, nicht einzelnen Personen: So diente er vorbehaltlos Walter Ulbricht, der ihn 1957 zum Minister machte. Als Erich Honecker 1971 Ulbrichts Absetzung betrieb, wechselte Mielke auf dessen Seite, blieb im Ministeramt und stieg ins SED-Politbüro auf. Seine Position innerhalb des Regimes war so bis zum Herbst 1989 unangefochten.
Quelle: BArch, 183-61041-0007 / Zühlsdorf, Erich
Mielke wird von Zeitgenossen oft als cholerischer Misanthrop beschrieben, gab sich aber bei Anlässen abseits seines Amts als Stasi-Chef gerne nahbar und kumpelhaft:
Bei der Geburtstagsfeier eines Stasi-Veteranen, 1965
Quelle: BArch, MfS, SdM, Fo, Nr. 91, Bild 19
Als Präsident der Sportvereinigung Dynamo bei einer Veranstaltung seiner Lieblingsfußballmannschaft Berliner Fußballclub (BFC) Dynamo, 1969
Quelle: BArch, MfS, SdM, Fo, Nr. 158, Bild 4
Mit seiner Ehefrau Gertrud bei der Meisterschaftsfeier des BFC Dynamo im Palasthotel in Ost-Berlin, 1982
Quelle: BArch, MfS, SdM, Fo, Nr. 183, Bild 2
Als Volkskammerabgeordneter (ab 1958) auf Besuch in einem Milchbetrieb in Hohenmölsen, 28. Mai 1981
Quelle: BArch, 183-Z0528-028 / Lehmann, Thomas
Mit DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker auf der Jagd, 1988
Quelle: BArch, MfS, SdM, Fo, Nr. 24, Bild 34
Die HA KuSch war für Auswahl, Einstellung, Schulung und Betreuung der hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter zuständig, zudem führte sie Disziplinarmaßnahmen durch. Die KKK der HA KuSch enthalten, anders als bei Erich Mielke, in der Regel detaillierte Informationen zum Mitarbeiter: Ausbildung, Beruf, Familie, Militärdienstzeiten, Dienststellungen im MfS, Dienstgrade und Verdienst. Im Stasi-Unterlagen-Archiv Berlin sind rund 238.000 KKK erhalten.
KKK von Oberst Erwin Zillich, Abteilungsleiter in der HA I, o. D. (Auszüge)
Anders als bei Erich Mielke gibt die KKK von Erwin Zillich wie bei den meisten Stasi-Mitarbeitern einen Überblick über seinen Werdegang. Das macht die KKK im Stasi-Unterlagen-Archiv zu einer nützlichen Quelle bei Recherchen zu hauptamtlichen Mitarbeitern.
Quelle: BArch, MfS, HA KuSch, Nr. 1567